Mein erstes Wiedersehen 1992

Mein erstes Wiedersehen  nach 47 Jahren

Vom 16. – 23. Mai 1992

Hallo ihr zuhause gebliebenen Groß Krössiner!
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.

Am Samstag, den 16. Mai 1992 war es soweit. Um 6.30 Uhr fuhr unser vollklimatisierter Bus von Münchhagen  aus in Richtung Pommern.

Unterwegs füllte sich der Bus mit neuen Fahrgästen. Pausen wurden in Abständen eingelegt, zum Füße vertreten. Mich begleiteten auf dieser Fahrt meine beiden jüngeren Cousinen, die in der Ziegelei zum Gut Zuch gehörig, jedoch zu Groß Krössin Amtlich gehörte, lebten. Beide fuhren das erste Mal mit in die Heimat aus Kindertagen. Eine Woche zuvor hatten wir ihre Mutter Frieda , die Schwester meiner Mutter Grete zu Xanten begraben.

Die Stimmung im Bus war gut und wir fuhren durch eine zum Teil blühende und grüne Landschaft, auch die Sonne lachte uns zu.

Nach etlichen Stunden kamen wir an die Grenze von Pomellen. Passkontrolle und Wechselstube für die Zloty (1:8000), eine Menge Geldscheine, mit denen wir im Laufe der Woche unseren Spaß hatten.

Dann waren wir in Pommern und unsere erste Station war eine Stadtrundfahrt durch Stettin bei Sonnenregen.

Stettin, kann man sich wieder ansehen, viele alte Bauten zeugen von der Schönheit vergangener Jahre. Es wurde wieder restauriert, die Hakenterrasse mit Blick auf die Oder einfach schön. Von den hässlichen Hochhäusern will ich nicht weiter berichten. Sie passen in keine Stadt.

Die Fahrt von Stettin nach Kolberg folgte durch unser wunderschönes Pommerland. Der Duft und der Geruch nach Kieferwald. Diesen Teil der Ostsee wissen wir Pommern zu schätzen.

Um 18 Uhr kamen wir in unserem Hotel Gryf (Greif) gut an. Das Hotel war gut und sauber, wir sehr müde.

Der lang ersehnte Sonntag,  der 17. Mai 92 war da.
Ausgeruht ging es um 9 Uhr Richtung Groß Krössin.
Wir waren alle aufgeregt, aber gefasst. Wir, die nach der Vertreibung und Flucht 1945 nicht mehr in Groß Krössin waren, wussten nicht, was uns erwartet. Wir haben so viel gelesen, über Abriss und Verfall unseres Dorfes.

Über Groß Tychow fuhren wir durch Drenow am Forsthaus Waldberg vorbei. Hier im Forsthaus bei Puchard habe ich eine Zeit in Lehre gehen dürfen. Eine sehr schöne Zeit. Bevor es die Försterei für Naseband wurde, lebte meine Tante Marie Gehrt geb. Hackbarth mit ihrer Familie dort. Erinnerungen kommen hoch.

Dann kamen wir an unserem Bahnhof Villnow vorbei. Äußerlich nicht verändert, altvertraut. Durch Villnow durch, liegt rechts von der Chausseestraße das Gut Carlshöh, auf dem ich aufwachsen  und meine Kindheit in meinem Paradies verbringen durfte.

Doch jetzt konnten wir unser Heimatdorf in der Ferne erkennen. Linksseitig stehen nur noch Gehrt und Schulz. Rechts Knop, ein großes Sägewerk vergrößert bis Lübkes Schmiede.

Vertraut Ehlert, gegenüber Scheunemann und andere.

Das Haus von Wetzels, in der die Bäckerei Götsch unten war, wir, meine Eltern Edmund und Grete Hackbarth wohnten im Obergeschoss, ist abgerissen. Viel, viel kleiner, ohne Bäckerladen aufgebaut.

Die Ställe stehen noch, auch das Tor an der Straße.

Mit etwas Farbe wäre alles freundlicher. Viele Häuser fehlen im Dorf. Die Dorfstraße ist doch altvertraut.

Unser Bus hielt bei Sendelbach, da gibt es nun einen Getränkeshop. Bei Laudes im Haus und Saal wohnen drei Familien. Laudes selbst jetzt ein kleiner Lebensmittelladen.

Die Straße an Kroll vorbei ist asphaltiert und führt nach Zuch, Gramenz und Neustettin. Es ist ein reger Busverkehr zu beobachten.

Unsere Kirche steht ohne Turm, die Glocke daneben auf einem Gerüst. Ein Trauerspiel, diese schöne alte Kirche so verfallen zu sehen.

Angeblich sei der Turm zusammengebrochen. Alte Photos von Gisela aus dem Jahr 1976 zeigen jedoch einen entkernten Fachwerkturm, der stabil wirkt!

Neben der Schule ist eine wunderschöne Turnhalle entstanden gegenüber von Ratzmer. In der Turnhalle wunderschön mit Parkettboden. Unsere Gruppe überreicht 2 neue Fußbälle.

Die linke Hälfte des Mühlenteiches ist zugewachsen.

Flemmings Schmiede ist weg ist mit dem Friedhof eine geschlossene Grünfläche, verunkrautet.

Der Friedhof der Krosino Bewohner neben unserem, haben fast den Sportplatz belegt. Das Grab meiner Oma Ida geb. Venzke ist mit dem schmiedeeisernen Kreuz noch erhalten. Es liegt beim Eingang gleich auf der linken Seite.

Die Alte Försterei Schilling, ist ein Superbau, die Anlage schön angelegt und sauber gepflegt.
An der Persante wurde das Brückengeländer erneuert, die alten Ahornbäume stehen noch. Ob es an warmen Sommerabenden am Straßengraben auch noch die vielen Glühwürmchen gibt, wie in unsere Jugendzeit.

Um 15 Uhr wurden wir von den Frauen aus dem Dorf zur Kaffeetafel gebeten, im neuen Feuerwehrhaus hinter Sendelbach. Die Frauen  haben für uns gebacken und eine festliche Tafel errichtet. In ihrer Folkloretracht wurde getanzt. Musikalische Untermalung durch Schifferklavier und Geige von den Krosinos.

Ein Geburtstagskind gab es zu feiern. Hertha  geb. Glaser wurde an einem Sonntag vor 78 Jahren hier in Groß Krössin geboren. Sie war froh und glücklich, ihren Ehrentag zuhause feiern zu können. Ein besonderer Tag für Hertha in Groß Krössin.
So vergingen die Stunden in Krössin wie im Fluge.
Meine Nerven waren angespannt von all den Eindrücken und so war ich froh wieder in Kolberg im Hotel zu sein.

Am Montag, den 18. Mai fuhren wir nach Köslin. Hier wartete ein ½ Tag ohne Programm auf uns, so konnten wir einen ausgedienten Stadtbummel machen. Auch heute gab es Geburtstag zu feiern.

Erna Venske geb. Gumz wurde vor 81 Jahren geboren. Abends in der Bar hatte sie zu einem Glas Sekt geladen. Wir waren alle recht lustig uns sehr glücklich das so zu erleben.

Am Dienstag ging es wieder nach Groß Krössin. „ Gruppen bildeten sich. Die Einen wollten nach Bad Polzin, wir anderen zur Fischräucherei Friedrich nach Döbel. <Hier aus Döbel kam mein 3x Urgroßvater Christoph Hackbarth.>

Uns fuhr der Bus zuerst über Borntin nach Döbel.
In der ehemaligen Mühle werden nun Forellen geräuchert und verkauft.
Zum Mittag am Wegesrand in Richtung Groß Krössin wurde ein Picknick gemacht, mit pommerscher Butter und Brot, die wir bei ehemals Laude gekauft hatten. Dann folgte der ca. 7 km lange Fußmarsch bei herrlichem Sonnenschein zurück nach Krössin.

Wenzel und Ziesemer sind auch weg.

Nach kleiner Erholung mit Limonade, wollten wir zur Schleuse, der Kuckuck begrüßte uns und wir ihn ebenfalls. Wir fanden jedoch nichts, also den alten Weg zurück. Am Wegrand blühten die Veilchen reichlich. Wir stiegen über Stock, Stein und Äste und hatten viel Spaß. Am Abend waren die meisten ziemlich „Fußkrank“. Unterwegs wurden die Erinnerungen ausgetauscht und manches Erlebnis im Gedächtnis aufgefrischt.

Mittwoch, wieder ein Geburtstag. Horst Wittstock spendierte im Bus eine Runde Sprudelwasser, denn wir waren auf der Fahrt nach Baldenburg, zu einem polnischen großen Gestüt. 150 Hengste stehen da, in drei jähriger Ausbildung werden sie zur Elite ausgebildet und zur Olympiade ausgemustert. Wirklich herrliche Tiere.

Die anschließende Fahrt durch die pommersche Schweiz einfach unvergesslich, die vielen, vielen Störche herrlich anzusehen!
Anschließend waren wir beim von Bismarcks pommerschen Anwesen (Gut) heute beherbergt es eine Forstakademie.

Donnerstag, Führt uns die Fahrt nach Danzig mit einer Pause in Stolp. Danzig, eine schöne Stadt, besonders die Altstadt mit den „nur“ 17 Kirchen. Im Hotel dort eine erstklassige Verpflegung.

Freitag , wieder eine Besichtigungstour. Heute nach Zoppot mit einer kleinen Führung.
Den Abschlussabend begehen wir ca. 50 km entfernt bei den Kaschuben.
Empfangen durch die Trachtengruppe, gibt es ein köstliches und reichhaltiges Abendessen:
Forelle in Gelee nach kaschubischer Art; Kartoffelsuppe; großer Kartoffelpuffer gefüllt mit Gulasch und zum Nachtisch Mohnkuchen und Kaffee. Es gab Wodka, Bier und Sprudelwasser. So konnte sich jeder nach Herzenslust an den Köstlichkeiten laben.

Dann die letzte Nacht in Kolberg an der Ostsee. Noch einmal diese Heimatluft einatmen.

Am Samstagmorgen ging es zurück in die neue Heimat der einzelnen Mitreisenden. Nach 14 Stunden Fahrt waren wir gut und glücklich wieder angekommen.

So Gott will, war es nicht die letzte Fahrt in unsere alte Heimat. Des Landes unserer Kinderjahre. Unbeschwertheit hängt an diesem Stückchen Erde.

Ilse Großmann geb. Hackbarth (+ 2014)