Aus dem Dorf Naseband
Naseband, im Kreis Neustettin gelegen, ist ein Straßendorf. In der Dorfmitte befanden sich alle wichtigen Begegnungspunkte.
Das Schloss wurde von der Partei, später von der Gaufrauenschaft, genutzt.
Ristows Mühle (Schrotmühle) stand neben der Kirche.
Die Kirche selbst ist schon sehr alt und steht in der Dorfmitte.
Der erstgebaute kleinere Teil mit Glockenturm ist ein Feldstein- und Fachwerkbau.
Gegenüber steht das Pfarrhaus mit einem großen Garten. Wer von den Dorfjungen dort keine Äpfel geklaut hat, hat viel versäumt.
Auf der Pastorenscheune haben jedes Jahr Störche seine Jungen großgezogen.
Eines Tages hatten die Russen, aus Spaß am Schießen, die Störche erschossen und das Nest zerstört.
Neben dem Pastorat steht das Gemeindehaus mit Schwesternstation und Konfirmandenraum. Der untere große Raum wurde während der kalten Jahreszeit, als Ersatz für die Kirche, zum Gottesdienst genutzt, da sich die Kirche sehr schlecht heizen ließ.
Wir hatten vier Lebensmittelgeschäfte:
Eichstädt + Karsten mit Kneipe
Ernst Mielke mit Gastwirtschaft und Saal
Pommerening verkauften neben Lebensmitteln noch Stoffe u.a. Kleinigkeiten.
In Mielkes Saal fanden alle größeren Veranstaltungen statt, Tanzvergnügen, Hochzeitsfeiern, Schützenfeste, Kinderfest usw.
Werner Hackbarth besaß eine Stellmacherei mit Wagenbau.
Karl Lawrenz: Schmiede, Hufbeschlag und Wagenbau, Landmaschinenhandel und Reparatur.
Das Spritzenhaus stand in der Mitte des Dorfes. Die Feuerspritze war ein damals übliches Modell. Gebrannt hat es bei uns so gut wie gar nicht.
(Ergänzung von Martin Ristow.
An 2 Brände im Dorf kann er sich erinnern.
Bei Kunde hat das Dachgeschoss gebrannt und später ist das Haus
von Hufen abgebrannt.)
Die Straße war in der Dorfmitte herrlich breit. So breit, dass wir sie als Spielplatz gebrauchten. Man konnte Fußball, Schlagball oder auch Völkerball spielen. Mein Bruder Alfred hat einmal die Straßenlampe vor unserer Haustür mit dem Fußball zerdeppert. (Aber das war kein Problem, es war ja sowieso Verdunklung).
Sie Schule ist auch heute noch sehr gut erhalten. Meine Mutter und ihre Geschwister haben dort noch das ABC gelernt.
Mitte der 30 iger Jahre wurde auf dem Schulgrundstück in Naseband die Lehrküche gebaut. Ein großer Raum, ausgestattet mit E-Herd, Kohle- Herd, einer großen Wandtafel, Schränke mit Geschirr, Töpfen und Pfannen und Schulmöbeln.
Die Mädchen des letzten Schuljahres hatten einmal in der Woche Hauswirtschaftsunterricht. Nach der Schulentlassung ging es weiter, pro Woche einmal Hauswirtschaftsunterricht. Nach 2 Jahren konnte man die Prüfung als Hausarbeitslehrling ablegen. Wir lernten schnell, was gute Haushaltsführung und gesunde Ernährung bedeuten und wie wichtig Vitamine (Obst und Gemüse) für unser Leben sind.
(Ein Bruder und Vaters Lehrlinge besuchten die Berufsschule in unserer Kreisstadt Neustettin.)
Der Friedhof liegt am Ausgang des Dorfes in Richtung Grünewald (An der Weggabelung rechts nach Grünewald.) Er ist, was man kaum noch findet, sehr gut, auch ohne Pflege, erhalten. (1983) Die meisten von uns haben immer noch Beziehung zu den Gräbern, in denen die Großeltern ruhen.
Am Ende des Dorfes liegt ein Sportplatz mit dem Froschteich und einem Rodelberg in den Kirchhofsfichten. Dort haben wir als Kinder oft „Räuber, Ritter und Prinzessin“ gespielt. Das Spiel war manchmal ganz schön rau. Oft hat es blaue Flecke gegeben.
Schräg gegenüber dem Friedhof hatte Bauunternehmer Otto Heidemann sein Grundstück. In dessen Nachbarschaft befand sich die Schuhmacherwerkstatt von Franz Kleinschmidt. Herr Kleinschmidt hat immer gut für uns gesorgt. Unsere Schuhe waren immer tiptop in Ordnung.
Eine Herrenschneiderei gab es bei Fritz Dumke. Elisabeth Hackbarth war Damenschneidermeisterin. Sie bildete junge Mädchen im Nähen aus.
Dann gab es noch beim Ausgang des Dorfes in Richtung Grünewald die Sarg- und Möbeltischlerei von Max Stark. Bei ihm war auch der Leichenwagen untergestellt.
Außerdem am Eingang des Dorfes, aus Richtung Villnow Bahnhof, hatten Bülow ihre Gärtnerei. Dort konnte man alles kaufen, was ein Garten an Baum-, Busch- und Beerenobst zu bieten hatte. An Gemüse gab es vom Spargel bis zum Winterkohl alles, was täglich gebraucht wurde.
An unsere Hausfrauen hatte die Gemeinde auch gedacht. So waren im Schloss die Pflichtjahrmädchen untergebracht, die am Tage bei den Bauern arbeiteten. Außerdem gab es auch manchmal eine Gruppe von Stadtfrauen, die im Sommer die Landfrauen bei ihrer schweren Arbeit unterstützen sollten. Ich kann mich nur erinnern, dass meine Mutter sagte: „Was soll ich nur mit dieser Frau anfangen!“ Die saß dann bei schönem Wetter bei uns im Vorgarten und besserte Wäsche aus. Aber zum Glück war diese Idee „Stadtfrauen helfen Landfrauen“ eine Eintagsfliege.
In den Kellergewölben des Schlosses gab es eine Badeanstalt. Dort konnte man für 0,50 RM ein schönes warmes Bad nehmen.
Außerdem war dort ein Verleih von Mostmühle und Fruchtpresse, ebenso ein Krauthobel, um selbst in großen Mengen Sauerkraut herzustellen. Verleih pro Tag 1 RM. Wir haben oft davon Gebrauch gemacht. Bei uns wurde viel Rhabarbermost getrunken.
(Ergänzung von Martin Ristow:Im Schloss war außerdem ein Kindergarten für das Dorf eingerichtet.)
Zu unserem Dorf gehörte die Forst- und Moorgenossenschaft.
Die hatte sogar einen eigenen Bahnanschluss. Dort wurde Torf für den Gartenbau und Streichtorf für Heizzwecke, der im Moor maschinell gewonnen wurde, verladen.
Unser Bürgermeister war Paul Tetzlaff. Er war allgemein beliebt. Unsere Post besorgte Frau Garske. Herr Garske verkaufte und reparierte Fahrräder. Bäcker und Fleischer kamen aus den Nachbardörfern. Die Sparkasse verwaltete Frau Krause, damit niemand sein Geld im Strumpf unter die Matratze legen musste.
Wenn ich heute noch einmal in Gedanken durch unser Dorf gehe, muss ich sagen: Wir waren ein recht fortschrittliches Dorf.
Ursula geb. Lawrenz in Naseband geboren
(2013 verstorben)
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