Reisebericht 2010

Kurzbericht über meinen ersten Besuch ins Neustettiner Land
und Groß Krössin seit 1945
12. – 16 Mai 2010

1.
Abfahrt
Abfahrt von Timmerlah per FUMU Reisebus begann am 12. Mai ca. 8 Uhr. Unser Fahrer hieß Sergej, und war ohne Begleitfahrer. Ein Teil der Besucher wurden in Timmerlah aufgenommen, andere stiegen in Berlin ZOB und vereinbarte Autobahnraststätte dazu. Insgesamt waren wir 37 Personen.

2.
Sich wieder kennenlernen:
Langsam und stetig stellten wir uns namentlich vor, sehr hilfreich dabei war Anna (Herzog). Die Freude war überwältigend sich wieder, seit 1945, zu begegnen.
Die Erinnerung des Aussehens als Kinder und Vergleich des heutigen war eine freudige Überraschung. Auch über die Niederlassung der Vertriebenen in Deutschland als auch anderswo in der Welt wurde erinnert.
Rege Gespräche während der Fahrt zündeten Erinnerungen von der Vergangenheit. Man kann es bildlich mit einem Puzzle- Spiel vergleichen, bei dem Teilchen bzw. Erinnerungslücken, von Teilnehmern gefüllt wurden.

Themen behandelt waren:
Ø Ausweisung Winter 1945 von Groß- Krössin
Ø Der Fußmarsch nach Gramenz
Ø Verladung in Güterwagen
Wir wussten nicht geht es Richtung Osten oder Westen
Gott sei es gedankt ging es nach Westen
Ø Ankunft im Stettiner Bahnhof werde ich nie vergessen was ich dort sah.
Die vielen aufgereihten bez. gestapelten gefrorenen Toten auf dem Bahnsteig!

3.
Erinnerungen an Groß- Krössin
Während der Fahrt mit Blick in die Umgebung und Ferne, versuchte ich immer wieder meine Erinnerungen zu visualisieren.
v Den Wohnort
v Die Straßenlage
v Die Häuser
v Die Erntezeiten
v Die Felder
v Uns Kinder und Eltern
v Die Spiele
v Singen und musizieren
v Schulausflüge
Vieles mehr und was mich heute dort erwartet.

4.
Die Fahrt Richtung Berlin, Stettin, Stargard und Bad Polzin:
Natürlich war ich sehr neugierig über die heute zusehenden Landschaften, der unterschiedlichen Regionen, Länder, Autobahnen, Straßen sowie Dörfern und Städte und das Umfeld. Die Unterschiede auf unserer Strecke waren schon bemerkenswert.
v Die gut ausgebauten Straßen im Westen Deutschland
v Die unvergleichbare Aussicht im östlichen Teil Deutschland
v Hoch unterschiedlich war die Lage nach Stettin in Polen.
v Unbestellte Felder
v Renovierungsbedürftige Stadtteile, Dörfer und Häuser
v Viele Objekte und Anlagen befinden sich im Zerfall Prozess
v Jedoch es war festzustellen, dass je näher man an Städte und Dörfer kam, waren Felder zunehmend bestellt.

5.
Andere Beobachtungen entlang der Autobahn und Straßen:
Die Autobahn, die wir durch Polen fuhren war gut befahrbar, nur Streckenweise noch im Ausbau, mit Begrenzungen.
(Anm. Ausbau durch EU- Fördermittel möglich).
v Wenig Fahrzeuge unterwegs-, Verkehrsdichte anders als im westlichen Teil Europas.
v Dementsprechend weniger Rasthöfe und Besucher
v Versorgung auch begrenzt
v Bedienung in den Wechselstuben und Versorgungsbereich nicht besonders freundlich.
v Keine Windmühlengeneratoren in der Landschaft sichtbar
v Industrielle Einrichtungen sehr selten zu erkennen.

6.
Unser Eintreffen im Hotel Polanin in Bad Polzin ca. 17.30 Uhr
Das Hotel hat eine gute Lage. Viel Freiraum vor dem Anwesen mit schönem Baumbestand. Eine gute Ansicht mit einladender Atmosphäre.
Zum Hotel selbst:
v Ein schöner Eingang, großzügig konstruierte Eingangshalle für vielen möglichen Anlässen
v Einrichtung der Rezeption, praktisch und gut sichtbar. Besetzt nach Bedarf.
v Die Apartment/ Zimmer haben eine Standard Form und sind praktisch gestaltet.
o Die Betten sind sauber und bequem.
o Die Einrichtung der Badezimmer ist praktisch und hygienisch ausgerichtet.
o Die tägliche Pflege der Zimmer ist effizient.

Das Abendessen war gegen 19 Uhr
v Ein schön groß gestalteter Speisesaal
v Gute Bestuhlung und Tischeinrichtungen
v Tische waren mit gutem attraktivem Porzellan ausgelegt und mit frischen Blumen geschmückt
v Das Abendessen wurde zügig serviert
v Die Speisen waren von guter Portion, gut gekocht, dekorativ und appetitlich präsentiert.
v Das Bedienungspersonal von jungen Frauen war gut gekleidet und gepflegt und richtete auch eine gute Bedienung aus, aber leider nicht besonders freundlich.
v Dies mag aber an der Kultur der Menschen liegen, die dort heute leben.
v Das Frühstück am folgenden Tag war Büffetartig, zentral auf einer großen Tischeinrichtung ausgelegt, große Vielfalt von Leckereien, warme und kalte Speisen als auch ein gutes Obstsortiment. Man kann sagen es war vorzüglich und eine Augenweide. Nachschub war ohne Probleme.

7.
Zur Stadt Bad Polzin:
Ein kurzer Spaziergang im Kurpark, in der Hauptstraße und Nebenstraßen, gaben mir den folgenden Eindruck;
v Der Kurpark ist schön angelegt und gepflegt wie auch die dazu gehörigen Häuser. Die Häuser werden aktiv geführt. Wir bekamen abends eine Video Vorführung über die Leistungen die dort geboten werden.
v Die Hauptstraße mit schönen Art-Deco Häusern bzw. Fassaden sind im Verfall, Renovierung ist dringend.
v Die Läden in der Hauptstraße führen interessante Waren, typisch für das Städte- Innenleben.
v Ich sah wenig freundliche Gesichter.
v Die Menschen in Läden und Fußgänger sprachen wenig oder kein Deutsch. Mit Englisch konnte man sich leicht verständigen.

8.
Besuch in Groß Krössin am 13. Mai
Die Busfahrt nach Groß Krössin führte durch schöne Chausseen, Wälder und Landschaften annähernd wie ich sie in Erinnerung hatte.
Als wir uns dem Ort näherten war ich voller Spannung und emotional gerührt.
Bei mehreren Spaziergängen und Beobachtungen durch das Dorf stellte ich fest, dass was ich als 13 jähriger, im Winter 1945 verlassen hatte, sich stark verändert hat. Meine Erinnerung vom Ort war, obwohl auch von den kriegerischen Handlungen gezeichnet, trotzdem, eine blühende und wirkungsvolle Gemeinde.

Über mein Vorfinden des heutigen Zustandes der Häuser, Straßen, geänderten Grundstückzeilen, nicht mehr existierenden Häuser, hatte ich mir so nicht vorgestellt.
Es war für mich eine traurige und bedrückende Ansicht.
Hier ein paar Beispiele für mein Empfinden:
v Unser Haus Michaelis/ Pommerening, obwohl noch stehend, aber in geänderter Fassade/ Form und in einem erbärmlichen Zustand, für das ganze Anwesen gelten.
v Stallungen hinterm Haus nicht mehr genutzt, zerfallen.
v Das aus Holz an den Stallungen angebaute Wagenhaus nicht mehr existierend.
v Unser Nachbarhaus links, Familie Fritz Ewald, Stellmacher/ Wagenbauer, Haus, Werkstatt und Scheune nicht mehr existieren. Ja keine Spur, dass dort einmal dieses Anwesen stand.
v Auch die Häuserzeile hinter von Familie Ewald ist total verschwunden.
v Das Haus von meinem besten Freund Hubert Kroll ca. 100m weiter, Richtung Gramenz, nicht mehr dort. Kein Zeichen, dass dort überhaupt ein Anwesen stand.

Allgemeine Anmerkungen zum Dorf Groß Krössin

v Noch stehende Häuser und besonders die Dächer renovierungsbedürftig. Dächer sind mit mehreren Zentimeter Moos bewachsen und man hat den Eindruck, dass sie nur deswegen dicht sind. Es ist keine Dachrinne vorhanden.
v Der Mühlenteich und Gelände, total verändert war für mich nicht wieder erkennbar.
v Der Platz wo die Mühle stand total verändert.
v Die Persante Brücke ist neu gerichtet.
o Durch Baumbewuchs, keine freie Sicht mehr ins Flusstal
o Das Wasser war trübe, ich hatte es noch in Erinnerung als klar, wo man im flacheren Bereich, die schönen Wasserpflanzen im fließenden Wasser bewundern konnte.
o Wo die freisichtliche und sandige Badestelle war, ist heute ein Brettgestell über sumpfigen Boden. Das trübe Wasser ist nicht einladend zu schwimmen,
o Die heutigen Bewohner des Dorfes Krosino scheinen durch die Umstände der wirtschaftlichen Lage sehr bescheiden leben zu müssen.
Die meisten anzutreffenden Bewohner waren freundlich.
Die deutsche Sprache wurde wenig verstanden
v Die Gemeinde scheint heute überwiegend katholisch.
o Der Friedhof war sehr gepflegt und bunt mit Blumen geschmückt.
o Deutsche Gräber gibt es nicht mehr.

v Das Schloss Balfanz ist auch stark in Mitleidenschaft gekommen. Die Anlage nicht wieder zu erkennen.

9.
Besuch nach Neustettin, 14. Mai
Wie die Fahrt nach Bad Polzin, kamen wir durch bemerkenswerte Alleen (Chausseen, wie man früher sagte), Wälder und Landschaften mit schönen Seen.
v Wieder waren bemerkbar, je näher wir zur Stadt kamen, waren die Felder bepflanzt.
v Wenig Industrieanlagen von der Straße zu sehen.
v Hier und dort Storchenhorste auf den Schornsteinen oder ähnliche Einrichtungen auf den Dächern – mit und ohne Bewohner.
v Wild war nur selten zu sehen, aber öfters Hasen. Ebenfalls sehr selten Weidevieh.
v Viele Einzel stehende Höfe/Objekte zerfallen.

Zu Neustettin:
v Viele schöne alte Jugendstil- Villen, großer Anteil dieser dringend renovierungsbedürftig. Bemühungen diesbezüglich offensichtlich im Gange.
v Größere städtische, öffentliche Gebäude, wie Rathaus, Kirchen, Anlagen hat man versucht im alten Glanz zu errichten.
v Auch die Haupteinkaufsstraße und Marktplatz sind mit schönen modernen Geschäften und Kaffees besetzt.
v Die Lage der Stadt ist einmalig schön am Streitzig See.
v Die Menschen in den Geschäften waren aufgeschlossen, zugänglich und hilfsbereit. Verständigung in Deutsch oder Englisch kein Problem.
v Die Luft an unserem Besuchertag war nicht besonders gut.
v Leider war nicht ausreichend Zeit um alle Sehenswürdigkeiten zu erkunden.
v Auf dem Rückweg nach Bad Polzin begegneten wir öfters großem Baumstammtransport. Es ist immer wieder bewundernswert wie unsere Fahrer Sergej das Vorbeikommen ohne Schrammen auf den schmalen oft unebenen Straßen, Bus schwankend, meisterte.
v Auf der Rückreise konnte man, nahe der Straße, größere Anlagen an Brennholzfabriken sichten. Wo auf großem Gelände viele Drahtbehälter gefüllt mit gespaltetem Kleinholz standen.
v Das mag auch ein Grund sein, dass wenn größere Mengen Holz verbrannt wird, für Kochen oder Heizen, in konzentrierten Siedlungen wie Dorf oder Stadt, dadurch die Luft stark belastet wird.

10.
Fahrt nach Henkenhagen und weiter nach Kolberg, 15. Mai
Die Fahrt ging über Köslin mit kurzer Pause in Henkenhagen.
Zu Henkenhagen:
v Da eine Küstenstadt war alles sauber, freundlich ausgerichtet.
v Häuser und Gärten schön gepflegt
v Schöner sandiger Strand
v Strand Cafés mit leckeren Angeboten und Läden unterschiedlicher Arten nach üblicher Manier einer Küsten- Touristenstadt.
v Wir trafen dort Urlauber von anderen Ländern, dies an Zeichen vom Bekanntheitsgrad.
v Anzumerken ist noch, dass das Landschaftsbild je näher man Richtung Osten fuhr, von der hügelig bewaldeten Landschaft wie unser Neustettiner Land, mehr zu offenem Flachland kam.

11.
Weiterfahrt nach Kolberg ca. 14.30
Zu Kolberg Innenstadt:
Unterschiedlich zu Bad Polzin und Neustettin, Kolberg steht im Glanz mit internationalem Flair.
v Groß breite und gepflegte Straßen
v Kaufhäuser und Boutique-Geschäfte im westlichen Stil.
o Angebot renommierter Marken, erster Qualität
o Gut dekorierte Schaufenster.
v Kaffeehäuser und Ambiente im westlichen Stil
v Gute Vertretung im Bankwesen
v Schöne Häuser aus unterschiedlichen Epochen
v Bedienungspersonal generell sehr freundlich
v Ein wunderschönes Rathaus in rotem Backstein, anscheinend von kriegerischer Einwirkung verschont. Es ist eine Perle.
v Wir trafen auf viele Besucher von unterschiedlichen Staaten. Also ein internationales Publikum und Atmosphäre
Wir verweilten 2 Stunden in Kolberg. In dieser Zeit konnten wir leider nicht alle Sehenswürdigkeiten aufsuchen. Wir werden bei einem nächsten Besuch versuchen, die Erkundung fortzusetzen.

Ich habe hier versucht eine Zusammenfassung der 5 Reisetage, in denen ich viel gesehen und erlebt habe, zu machen.
Bestimmt werde ich nachträglich, an so manches denken was ich hätte zufügen können.
Ich möchte auch hier die Gelegenheit nehmen und herzlichen Dank aussprechen an:
Anna Herzog und Rudi Dorow für die gute Betreuung und die immer hilfreich waren unsere Wünsche zu erfüllen.
Unserem Sohn Bernard möchten wir ganz besonders für seine Recherchen und Bemühungen, dass diese Reise zustande kam, ganz herzlich danken.
Die Knüpfung der vielen Kontakte, durch das Internet mit Anna und anderen Personen als auch die Planung einer Gruppenfahrt 2010, hat den entscheidenden Beschluss unserer Teilnahme gebracht.
Das Zusammentreffen mit Groß Krössinern und der gemeinsame Besuch, mit dem Bus, war eine besondere große Freunde.

Auch herzlichen Dank an Sergej, der uns unterwegs sehr gut mit Getränken, Würstchen und anderen Snacks versorgt hat. Er wusste immer wo und wann eine Pause eingelegt werden sollte. Seine sichere Fahrweise war sehr beruhigend und unverzichtlich.

Auch nochmals vielen herzlichen Dank an Anita geb. Laude und ihrem Mann sowie an Edith Lübke, die extra den Besuch nach Bad Polzin/ Groß Krössin gemacht haben, sodass wir uns wiedersehen und uns nach 65 Jahren umarmen konnten. Wir hatten uns gegenseitig sehr viel zu erzählen.
Ich freue mich sehr auf unsere Treffen und Reise ins Neustettiner Land vom 22.05. – 28.05.2011.

Walter Michaelis